Die unbekannte Seite der Lebensmittelherstellung – ein kritischer Blick hinter die Kulissen

Die unbekannte Seite der Lebensmittelherstellung – ein kritischer Blick hinter die Kulissen

 

Die Lebensmittelbranche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Outsourcing, Lohnherstellung und Private Labeling sind längst keine Ausnahmen mehr, sondern die Regel. Besonders in der Backwarenindustrie bringt diese Entwicklung gravierende Konsequenzen mit sich – für die Qualität der Produkte, die Qualifikation der Mitarbeiter und letztlich für die Sicherheit der Verbraucher.

Ein Beruf in der Krise

Das Bäckerhandwerk steckt in einer tiefen Krise. In den letzten Jahren ist die Zahl der Bäckereibetriebe in Deutschland drastisch gesunken: Gab es 2013 noch 13.171 Betriebe, waren es 2023 nur noch 9.242. Parallel dazu ging auch die Zahl der Auszubildenden dramatisch zurück. Während 2007 noch rund 6.000 junge Menschen eine Bäckerausbildung begannen, waren es 2023 nur noch etwa 3.951.

Die Folgen sind verheerend: Es gibt immer weniger qualifiziertes Fachpersonal. Um die Lücken zu schließen, greifen viele Betriebe auf Quereinsteiger oder unqualifizierte Mitarbeiter zurück. Das belastet die wenigen erfahrenen Fachkräfte enorm. Die gesamte Verantwortung für Produktsicherheit und Qualität lastet auf ihnen – oft unter erheblichem Stress. Schulungen und Weiterbildungen, die dringend nötig wären, werden aus Kostengründen gestrichen.

Was bleibt, ist ein unzureichend geschultes Team, das oft nicht einmal die Grundlagen der Lebensmittelhygiene versteht. Moderne Maschinen nützen nichts, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, dass sie mit Lebensmitteln arbeiten und wie entscheidend selbst einfache Dinge wie gründliches Händewaschen sind.

Die Realität hinter "Spuren von..."

Der Hinweis "Kann Spuren von Gluten enthalten" auf glutenfreien Produkten klingt wie ein Schutzversprechen – ist aber oft das Gegenteil. Die Theorie in Produktionsstätten, die sowohl glutenfreie als auch glutenhaltige Produkte herstellen, klingt einfach: zuerst glutenfreie Produktion, dann glutenhaltige, anschließend Reinigung und wieder glutenfreie Produktion.

In der Praxis sieht es jedoch anders aus. Jede Produktionspause kostet Zeit – und damit Geld. Deshalb werden Abkürzungen genommen, um die Prozesse zu beschleunigen. Eine gründliche Reinigung, die jeden Mehlstaub oder Teigrest entfernt, findet oft nur oberflächlich statt.

Ein grausames Beispiel aus der Praxis: Nach der glutenhaltigen Produktion werden Maschinen "gereinigt", indem die ersten ein bis zwei Teige der nächsten glutenfreien Charge aussortiert und weggeworfen werden. Diese Methode mag billig und zeitsparend erscheinen, hinterlässt aber oft Rückstände in Leitungen, Rührwerken oder Fördersystemen. Diese gelangen in die nächsten Chargen – und damit auch in die glutenfreien Produkte.

Rohstoffe mit fragwürdigen Warnhinweisen

Ein weiteres Problem liegt in den Rohstoffen selbst. Viele Zutaten werden bereits mit dem Hinweis oder der Warnung geliefert, dass sie Spuren von Gluten oder anderen Allergenen enthalten können. Dieser Hinweis, der ursprünglich als Sicherheitsmaßnahme gedacht war, wird von Weiterverarbeitern jedoch häufig als Freibrief genutzt, um Reinigungsmaßnahmen während der Produktion und Abfüllung zu umgehen.

Die Konsequenzen: Fehler oder Nachlässigkeiten in der Verarbeitung können so hinter dem vagen Hinweis "Kann Spuren enthalten" versteckt werden. Es fehlt an einer klaren gesetzlichen Definition, die diese Warnungen präzisiert. Die EU-Kommission plant jedoch, diese Kennzeichnungen bis 2025/2026 genauer zu regeln. Damit sollen Transparenz und Sicherheit für die Verbraucher verbessert werden.

Mein Appell: Exklusive glutenfreie Betriebe

Meine Empfehlung ist klar: Glutenfreie Produkte – egal ob Backmischungen, fertige Backwaren, halbgebackene Backwaren, tiefgefrorene Backwaren oder Teigwaren wie Nudeln – sollten ausschließlich in Monobetrieben, also exklusiv glutenfreien Produktionsstätten, hergestellt werden. Es ist unverständlich, dass es weiterhin erlaubt ist, glutenhaltige und glutenfreie Produkte im selben Betrieb herzustellen.

Die Risiken sind einfach zu groß: Einige Hersteller schaffen es nicht einmal, Bio-Produkte von konventionellen zu trennen, obwohl das gesundheitlich unbedenklich ist. Wie sollen sie dann glutenfreie Produkte verlässlich vor Kontamination schützen, wenn bereits 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm eine ernste Gefahr darstellen? Hier muss dringend nachgebessert werden.

Das menschliche Risiko

Die Situation wird durch den menschlichen Faktor noch verschärft. Viele Produktionsmitarbeiter sind schlecht bezahlt, unqualifiziert und werden oft wie austauschbare Arbeitskräfte behandelt. Für sie ist glutenfreie Produktion nur ein weiterer Arbeitsschritt – ohne das Bewusstsein, dass selbst kleinste Mengen Gluten schwerwiegende gesundheitliche Folgen für empfindliche Verbraucher haben können.

Wenn der Produktionsleiter oder Geschäftsführer nur wenige Minuten abwesend ist, werden Abkürzungen genommen, um Zeit und Mühe zu sparen. Für den einzelnen Mitarbeiter mag das harmlos erscheinen, doch für den Endverbraucher kann es gefährlich werden.

Billig produzieren, teuer verkaufen

Viele Unternehmen verfolgen ein einfaches Ziel: so billig wie möglich produzieren und die Produkte dann so teuer wie möglich verkaufen. Der Fokus liegt nicht auf Qualität oder Sicherheit, sondern auf Marketing.

Besonders bei glutenfreien Produkten fällt auf: Ein Großteil stammt nicht aus eigener Herstellung, sondern wird von Lohnherstellern oder über Private Labeling produziert. Anbieter ohne eigene Produktionsanlagen haben keine direkte Kontrolle über die Herstellung. Viele dieser Betriebe produzieren sowohl glutenfreie als auch glutenhaltige Produkte – oft ohne ausreichend strenge Reinigungsprotokolle.

Ein kritischer Blick auf die Marketingmaschinerie

Immer mehr Influencer stellen glutenfreie Produkte vor, ohne zu wissen, was sie eigentlich bewerben. Ein kurzer Kurs oder ein Zertifikat als Ernährungsberaterin macht niemanden zum Experten. Was im Netz verbreitet wird, ist oft schlichtweg erschreckend.

Anstatt Produkte mit 26 Zutaten zu promoten, von denen die Hälfte unnötig oder problematisch ist, sollten sich diese Influencer lieber darauf konzentrieren, ihre Community zu ermutigen, selbst zu backen und bessere glutenfreie Rezepte zu entwickeln.

Ein Appell an mehr Transparenz

Es ist Zeit, dass die Kennzeichnungspflichten verschärft werden. Angaben wie "Hergestellt von" und "Hergestellt für" sollten verpflichtend auf Verpackungen stehen. Die Verbraucherzentralen sollten zudem stärker gegen irreführende Produkte vorgehen: Bananenkuchen-Mixe ohne Bananen, "Low Carb"-Produkte, die gar nicht zuckerarm sind, oder Backmischungen mit Zutaten, die dort nichts zu suchen haben.

Wir wundern uns, warum die meisten Menschen ihre Rente nur wenige Jahre genießen können? Die Antwort liegt auch in der Qualität der Lebensmittel, die wir konsumieren. Denke mehr an dich, an dein Kind, und kaufe nicht von Anbietern, die mehr Zeit online verbringen als in der Produktion.

Fazit

Die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln beginnt in der Produktion – nicht bei Marketingkampagnen oder Social-Media-Posts. Hersteller und Verbraucher tragen Verantwortung. Es liegt an uns allen, bewusster einzukaufen und auf Anbieter zu achten, die für Transparenz, Qualität und Sicherheit stehen. Hinterfrage: Wer produziert dieses Produkt? Welche Werte vertritt das Unternehmen?

Nur so können wir gemeinsam eine Branche unterstützen, die Qualität und Sicherheit wieder in den Mittelpunkt stellt.

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